neue stadtentwicklungsprojekte in teheran - teil 1
erschienen in: db - deutsche bauzeitung 05/2005
von: Abbas Shirazi und Christina Thum
Explosion und Konsolidierung
Teheran ist eine der größten Metropolen im Vorderen Orient und das politische und wirtschaftliche Zentrum des stark zentralisierten Iran. Jede größere Firma besitzt obligatorisch hier ihren Firmensitz. Seit 1789 Hauptstadt Persiens, wuchs Teheran in gerade einmal 200 Jahren von 15.000 auf 8,5 Millionen Einwohner. Im Großraum Teheran leben derzeit etwa 11 Millionen Menschen. Das Wachstum insbesondere der vergangenen 25 Jahre war durch hohe Geburtenraten, zurückgehende Sterblichkeit und starke Landflucht bedingt, die Bevölkerung verdoppelte sich. Die Stadt verschlang das Flachland im Süden und Westen und kletterte im Norden immer weiter in das Alborz-Gebirge hinauf, so dass heute der Höhenunterschied in der Stadt ca. 800 m beträgt. Die letzten Ausläufer Teherans befinden sich auf 1800 m über N.N., dahinter türmt sich das Gebirge mit dem höchsten Berg Irans, dem Damavand, bis auf 5671 m. Im Süden Teherans liegt die Salzwüste Dasht-e-Kavir. Sieben in den Bergen entspringende Flüsse gliedern das Stadtgebiet. Das Klima ist an sich mild, jedoch lüftet sich die Smog-Glocke nur selten, um einen klaren Blick auf die Berge freizugeben. In den höheren Lagen suchen hier die Teheranis in kühlen, grünen Oasen Erholung vom lauten, stressigen Alltag. Alle Nationalitäten des Vielvölkerstaates - Perser, Türken, Kurden, Araber, Beluchen, Loren usw. ebenso religiöse Minderheiten wie Zoroaster, Juden, armenische und assyrische Christen, wohnen hier friedlich nebeneinander, wenn auch in unterschiedlichen Bezirken. Denn die topografische Situation findet ihre Parallele in der Verteilung der Bevölkerung, dem reichen, chicen Norden, wo auch die Paläste des Schahs, Botschaften und Regierungsgebäude zu finden sind, und dem armen Süden. Doch selbst dort fühlt man sich als Ausländer relativ sicher. Weder wird gebettelt noch gibt es "no go" Zonen. Zustände wie etwa in den Favelas Rio de Janeiros wird man nicht finden.
Eine orientalische Stadt?
Teheran ist eine durchweg moderne Metropole, ihr traditionelles Gesicht hat sie weitgehend verloren. Die Stadt veränderte sich unter Shah Reza Pahlevi seit den 1930ern und insbesondere unter dessen Sohn Mohammed Reza grundlegend. Ausländische Architekten und im Ausland ausgebildete iranische Architekten dominierten das Baugeschehen, moderne Formensprache und orientalische Tradition begannen sich zu vermischen. Die Revolution 1979 unterbrach diese Entwicklungen, das Land schottete sich ab. Den Herausforderungen des enormen Bevölkerungswachstums begegnete man weitgehend hilflos. Neben anderweitigen internen Interessen spielte hier auch die Bewältigung der Folgen des Iran-Irak Krieges von 1980-88 eine Rolle. Neu angelegte Satellitenstädte führten bisher nicht zu einer Entlastung. Der drohenden Erdbebengefahr hat man weder Bauqualität noch Notfall-Pläne entgegenzusetzen. Trotz vielspuriger Stadt-Autobahnen erstickt die Stadt tagtäglich im Stau. Die in den 60er Jahren begonnenen vorausschauenden Entwicklungsplanungen verschwanden in der Schublade. Eine darauf aufbauende Planung wurde zwar 1991 vom Parlament verabschiedet, stellte jedoch keine ausreichende Grundlage für eine nachhaltige Entwicklung des Großraumes dar. Zudem musste sich die Stadtverwaltung Teheran weitgehend selbst finanzieren, was nicht zuletzt durch den Verkauf von über den offiziellen Dichtegrenzwerten liegenden Baurechten geschah. Es entstanden einige Großprojekte wie der neue Internationale Flughafen süd-westlich der Stadt, dessen Terminal 1 fertiggestellt ist, der aber wegen politischer Streitigkeiten noch nicht eröffnet wurde. Auch besitzt Teheran seit dem Jahr 2000 eine Metro - in Nord-Süd und West-Ost Richtung verlaufen bisher zwei Linien, weitere sechs sind geplant.
Qualitätsoffensive
Die Geburtenrate ist inzwischen stark zurückgegangen, die Entwicklung wird nun zunehmend kontrollierbar. Dennoch muss die Bevölkerung - 40% sind jünger als 20 Jahre alt - in den kommenden 10-15 Jahren mit enormem Wohnraum versorgt werden. Für den Großraum Teheran werden für das Jahr 2020 immerhin 16,2 Millionen Einwohner prognostiziert. Daher wächst bei der Regierung die Erkenntnis, dass nur gezieltes Handeln den Infarkt der Stadt verhindern kann. So hat man sich 2002 entschlossen, einen neuen Masterplan bis 2006 aufzustellen.
Verstärkt sichtbar wird letzthin der Wunsch nach Qualität bei Planung und Bau. Der Iran möchte wieder Anschluss an die Entwicklung finden und in der internationalen Liga mitspielen. Mit dem Bau des Internationalen Kongress-Zentrums mit 600 Sitzen für die Konferenz der Islamischen Staaten in nur sechs Monaten hat man einen Geschwindigkeitsrekord aufgestellt. Da die Konkurrenz in der Region sehr stark ist - der Internationale Flughafen von Dubai entwickelt sich zum Beispiel statt des Teheraner Flughafens zur Ost-West Drehscheibe und in den Vereinigten Arabischen Emiraten entstehen High-End Luxusanlagen - soll Teheran fit gemacht werden für den Wettbewerb um die wirtschaftliche Vormachtstellung in einer globalisierten Zukunft.
Zwei Beispiele sollen die neu entstehende Planungskultur illustrieren. Im Nordwesten der Stadt wird bis 2009 ein multifunktionaler Gebäudekomplex, das Ati-Center, mit 410.000 m² Geschossfläche entstehen. Dafür wurde 2004 ein internationaler Wettbewerb ausgelobt, es geht also um Import von Know-How und internationales Renommee. Eine andere Strategie wählte man für einen Technologiepark, welcher mit jungen einheimischen Architekten auf hohem gestalterischen Niveau entwickelt wird.
Das Ati-Center wird von Ati-Saz, einer halb-staatlichen Institution für Großwohnungsbau, als kommerzielles Projekt auf internationalem Standard geplant und finanziert. Ca. 300 Mio. € sollen investiert werden. Neben einer Mall mit 190.000 m² sind Büros (90.000 m²), Wohnungen (105.000 m²), ein Freizeit- und Erlebnis-Center (12.000 m²) sowie ein 5-Sterne Hotel (28.000 m²) geplant. Der Standort mit insgesamt 70.000 m² (eine sonst in Teheran kaum noch vorhandene Flächengröße) ist gut gewählt. In vier Richtungen sind Stadt-Autobahnen nicht weit, im Norden schließt ein sechs ha großer Park an. Der Stadtteil - Sharake Gharb - wurde in den 70-er Jahren aufgesiedelt und ist nach wie vor ein attraktives Wohnviertel mit starkem Einkommensniveau und hochqualitativen Einkaufsmöglichkeiten. Eine der geplanten Metro-Linien wird den Standort in Zukunft anbinden.
Zu dem Wettbewerb waren sieben Teams eingeladen, bestehend aus je einem iranischen Büro mit einem von diesem frei wählbaren ausländischen Partner. Der Wettbewerb wurde von Drees & Sommer durchgeführt, die durch den Potsdamer Platz als Vorbild des Projekts ins Rennen kamen. Die Jury sollte international hochrenommiert besetzt sein, jedoch sagten sowohl Zaha Hadid als auch Rem Koolhaas kurzfristig ab, so dass nur noch einheimische Architekten im Juli 2004 den Gewinner kürten.
Der erste Preisträger, Gueno Consulting Engineers mit Kirkland Partnership Inc. (Kanada), präsentiert ein visuelles Merkzeichen von 186 m Höhe (43 Geschosse für Hotel und Büros) sowie eine das Grundstück westlich und südlich umschließende Randbebauung von 11-15 Wohngeschossen, als "floating wall" bezeichnet, mit bis zu 64 m Höhe. Dazwischen angeordnet wurden drei Geschosse Mall und Entertainment entlang einer zentralen Achse, die sich an dritter Stellen nach außen öffnet. Ein öffentlicher Garten soll sowohl ebenerdig als auch auf den Dächern der mall entstehen. Die Aufenthaltsqualitäten sind im jetzigen Stadium allerdings nicht ablesbar.
Derzeit wird der Entwurf überarbeitet, über die Projektsteuerung laufen noch Verhandlungen. Mit Blick auf die im Juni anstehende Präsidentenwahl wird derzeit in Iran insgesamt sehr zurückhaltend agiert, bis die künftige Politikrichtung absehbar wird.
Ein spektakuläres Ati-Projekt schlagen Prof. Jodat mit Coop Himmelblau vor, der höchste von drei Türmen soll 212 m messen und ist skulptural geformt. Dies war aber wohl den lokalen Baustandards nicht zuzutrauen, somit wurde ihm nur der 3. Platz zuteil.
Die Förderung kreativer junger Architekten im eigenen Land werden wir anhand des Technologieparks Pardis vor den Toren Teheran im nächsten Heft der db 6/05 vorgestellt.
Christina Thum, Abbas Shirazi
Die Autoren sind Stadtplanerin und Architekt und leben in Stuttgart.