architekt ohne grenzen - iran
erschienen in: dab - deutsches architektenblatt 12/2004
Deutsche Architekten im Ausland - Teil 23: Iran
von: Abbas Shirazi
Iran mit über 70 Millionen Einwohnern und einer Fläche von 1,65 Mio. km2 ist eine der stärksten Wirtschaftsmächte im Mittleren Osten. Es ist insbesondere seit dem Fall des Eisernen Vorhangs wirtschaftliche Drehscheibe für die umliegenden zentralasiatischen Staaten. Traditionell gut sind Irans Beziehungen auch mit Europa und insbesondere Deutschland, die Bundesrepublik ist der größte Außenhandelspartner Irans. Wegen des starken Bevölkerungswachstums der letzten Jahre, welches etwa die Einwohnerzahl des Großraumes Teheran auf ca. 12 Mio. hochschnellen ließ, besteht ein riesiger Bedarf an Wohnungs- und Infrastrukturbau. Iran zeigt verstärkt Interesse, ausländisches Know-how und Kapital in das Land zu holen, im Bauwesen befinden sich diese Beziehungen allerdings noch im Anfangsstadium. Es werden aber z.B. internationale Wettbewerbe ausgerichtet und es ist zu erwarten, dass die Chancen auch für Architekten und Ingenieure sich verbessern werden.
Öffnung und Wandel
Nach der Wahl des als gemäßigt geltenden Präsidenten Mohammed Khatami 1997 begab sich Iran auf den langsamen Weg der Öffnung nach innen und außen. Man versucht, die strukturellen Probleme der Wirtschaft anzugehen. So soll z.B. die Privatisierung der direkt oder indirekt staatlichen Betriebe (70%) mit Nachdruck vorangetrieben werden. Auch die stark monozentralistische Struktur des Landes mit ihrer Konzentration auf das Wirtschaftszentrum Teheran soll dezentralisiert werden. Das verbesserte Ansehen des Landes weltweit führte in den letzten Jahren zu einem starken Anstieg der ausländischen Investitionen, so z.B. im Bereich der Projektfinanzierung auf über 5 Mrd. US$. Die Wirtschaft wächst kontinuierlich, der IMF (Internationaler Währungsfond) bewertet die Wirtschaftlage des Iran als gut. Für seine 15 Nachbarländer mit ca. 300 Mio. Einwohnern ist Iran nicht zuletzt aufgrund der Transitmöglichkeiten zum freien Meer attraktiv. Iran ist stark beim Wiederaufbau Afghanistans beteiligt. Ein großes Problem stellt die Arbeitslosigkeit dar, die offizielle Quote von 14% dürfte erheblich höher liegen, und ist insbesondere bei der jugendlichen Bevölkerung besorgniserregend.
Enormer Bedarf im Bausektor
Ein weiteres Hauptziel der Regierung ist die Verbesserung der durch das Bevölkerungswachstum entstandenen Probleme - die Bevölkerung hat sich in den letzten 25 Jahren verdoppelt! Der Bedarf von jährlich mehr als 1 Million neuer Wohneinheiten wird nach Angaben des Ministeriums für Wohnen noch mindestens bis 2011 bestehen. Die derzeitige Baukapazität beträgt ungefähr 700.000 neue Wohneinheiten jährlich, ca. 200.000 Wohneinheiten werden saniert. Ungefähr 80% des Bauvolumens werden von privater Hand errichtet. Die jährliche Bau-Kapazität soll bis 2007 auf über 1 Million Einheiten gesteigert werden, ein Management-Center für Baukapazität ist geplant. Die Errichtung dieser Wohnungen erfolgt nicht nur in bestehenden Zentren, sondern auch in neuen Satellitenstädten.
Im iranischen Jahr 1382 (März 2003 - März 2004) gingen die privaten Investitionen in den Wohnungsbau gegenüber dem Vorjahr um 30 % zurück. Grund ist das starke Wachstum der letzten Jahre, welches zu einer Überversorgung geführt hat. Die hohe Rendite wird aber zukünftig wieder Investitionen anlocken, sobald sich ein Gleichgewicht eingestellt hat.
Der erste Investitionsvertrag mit dem Ausland im Bereich Wohnungsbau wurde im Januar 2004 mit einem türkischen Konzern geschlossen. Für 22,5 Mio. US$ sollen 500 vorgefertigte Wohneinheiten 100 km westlich von Teheran entstehen. Auch die Infrastruktur wird vom Investor gebaut. Nach Ablauf einer gewissen Frist sollen nicht verkaufte Einheiten vom iranischen Partner für 370 US$ / m2 übernommen werden.
Insgesamt erhofft man sich ein stärkeres ausländisches Engagement in Iran, den Transfer moderner Technologie, die Stimulation von Wettbewerb, bessere Bauqualität und schnellere Bauzeiten. Iran mit seiner 3000-jährigen Kultur ist ein stolzes Land und möchte gegenüber seinen arabischen Nachbarn auch im Bereich Bauwesen aufholen. Ein neues Gesetz hat Beschränkungen zur Rückführung von Profiten aufgehoben und Ausländische Investitionsgarantien wieder eingeführt. Beim Ministerium für Wohnen und Stadtentwicklung soll ein 4-köpfiges Team eingerichtet werden, das Anträge für ausländische Investitionen schneller bearbeitet.
Ausbildung und Berufseinstieg
Die Ausbildung als Architekt kann an einer der 12 staatlichen oder 20 (sehr teuren) privaten Hochschulen des Landes absolviert werden. Die Aufnahmeprüfung für die staatliche Universität stellt eine sehr hohe Hürde dar, die Absolventen genießen aber ein entsprechend hohes Ansehen. Bis vor wenigen Jahren gab es nur die Möglichkeit, ein dem deutschen Diplom vergleichbares "master" - Studium aufzunehmen, welches mindestens 6 Jahre dauerte und auch Stadtplanung und Innenarchitektur beinhaltete. Mittlerweile besteht zusätzlich die Möglichkeit, mit einem bachelor - Studium von 4 Jahren Dauer auf den Arbeitsmarkt zu kommen. Jedes Jahr beenden etwa 1500 junge Menschen ihr Architekturstudium, der Frauenanteil beträgt mehr als 50%.
Es ist üblich, während des Studiums in Architekturbüros zu arbeiten, um Berufserfahrung zu sammeln und sein Taschengeld aufzubessern. Als Absolvent erhält man ungefähr 300 € Gehalt monatlich, welches später auf maximal etwa 1000 € steigen kann. Die Bezahlung ist im Unterschied zu Deutschland nicht schlechter als für andere Ingenieure.
Mit zwei Jahren Berufserfahrung kann man bei der sazeman-e nezam mohandessi iran, der staatlichen Organisation der Iranischen Ingenieure (Architekten, Bauingenieure und Maschinenbauer) eine Prüfung ablegen und sich eintragen lassen (Stufe 3). Hierauf darf man Bauanträge mit bis zu 2 Geschossen unterschreiben. Nach weiteren 4 Jahren erwirbt man durch eine weitere Prüfung die Berechtigung zum Bau von bis zu 5 Geschossen und maximal 3000 m2 Geschossfläche (Stufe 2). Nach insgesamt 10 Jahren Berufserfahrung erreicht man die Stufe 1 und ist für den Bau von höheren Gebäuden qualifiziert, für den Bau von mehr als 5000 m2 Geschossfläche ist allerdings die Gründung einer GmbH notwendig. Es gibt ungefähr 8000 eingetragene Architekten in Iran. Jeder Architekt darf jährlich nur 3 Bauanträge unterschreiben, natürlich blüht dementsprechend ein gewisser Unterschriftenhandel. Bauingenieure sind zum Bau von Häusern mit bis zu zwei Geschossen berechtigt.
Das Arbeitsschutzgesetz sieht im Fall einer Kündigung eine Abfindung von 45 Tageslöhnen für jedes Arbeitsjahr vor.
Seit 3 Jahren gibt es eine unabhängige Architektenkammer, welche von der sazeman-e nezam mohandessi iran Kompetenzen z.B. die Eintragung und fachliche Kontrolle an sich ziehen möchte. Sie bietet Seminare und Informationen an und ist Mitglied in der UIA, Union Internationale des Architectes.
Bürostrukturen
Es gibt nur wenige Büros mit mehr als hundert Angestellten, vorherrschend sind mittelgroße Büros mit bis zu 50 Mitarbeitern, natürlich finden sich auch viele kleine Büros. Große Aufträge, zumeist vom Staat, erhalten nur die größeren Büros mit entsprechenden Beziehungen, welche die Arbeit oft an kleinere Büros weiterdelegieren. Es werden durchaus auch Wettbewerbe ausgeschrieben, nicht immer wird aber der Gewinner mit dem Bau beauftragt. Für jüngere Architekten besteht jedoch eine gewisse Einstiegs-Chance.
Die anjoman-e senf-e mohandessan-e moshaver-e memar va shahrsazi ist eine von 12 Organisationen, welche Lobbyfunktion für Firmen des Bauwesens übernehmen. Sie richtet sich an Architekten und Stadtplaner. In regelmäßigen Treffen werden organisatorische Probleme, Lohn-Abstimmungen, neue Entwicklungen etc. behandelt. Spezielle Fortbildungen gibt es keine.
Bauwesen
Die Qualität der Bauausführung befindet sich allgemein auf einem sehr niedrigen Niveau, die Priorität liegt auf kostengünstigem Bauen. Zwar werden zum Teil auch qualitätsvolle Baumaterialien verwendet wie etwa Trockenbauprodukte von Knauff, es fehlt jedoch zumeist an der richtigen Verwendung. Es gibt wenig gute Ausführungsfirmen, so dass anspruchsvollere Details wie etwa für Treppen von den Architekten bis ins kleinste gezeichnet werden müssen. Die eigentlich vorhandene staatliche Baukontrolle wird zum großen Teil durch Korruption außer Kraft gesetzt.
Es gibt vereinzelt renommierte Architekten, deren Gebäude - mit besserer Qualität - zu einem höheren Preis verkauft werden. Für besondere Bauaufgaben wie etwa die derzeit im Bau befindliche Nationalbibliothek werden alle Kräfte mobilisiert, um eine gute Qualität zu erreichen.
Architekturszene
Bis zur Revolution 1979 bemühten sich die iranischen Architekten, eine eigene Architektursprache zwischen Tradition und (westlicher) Moderne zu finden. Durch den Exodus vieler Architekten zerbrach diese Bewegung und vielfach auch die Weitergabe des bautechnischen Wissens. Nach dem Krieg zwischen Iran und Irak 1988 begann eine rege Bautätigkeit, zumeist jedoch als nicht adaptierte Kopie westlicher Architektur. Dies führte zu willkürlichen und zum Teil wirklich erschreckenden Ergebnissen. Langsam entwickelt sich nun die Suche um eine eigenständige iranische Formensprache für moderne Bauaufgaben. Einige gelungene Beispiele sind etwa die neue Nationalbibliothek oder das Koranmuseum in Teheran.
Chancen auf dem Arbeitsmarkt
Seit einigen Jahren dürfen Ausländer wieder in Iran arbeiten, Voraussetzung ist aber die Kooperation mit einem iranischen Partner. Man benötigt ein Visum, welches für Geschäftsleute vom iranischen Partner beim Außenministerium beantragt werden muss. Die Behörden arbeiten zumeist langsam und Visum wie Arbeitserlaubnis stellen eine der größten Hürden dar.
Deutsche genießen einen sehr vorteilhaften Ruf als zuverlässig und unbestechlich. Es ist jedoch ohne Vermittler in Iran eigentlich unmöglich, vor Ort Fuß zu fassen. In die Führungsetagen gelangt man nur über Empfehlungen, normale Akquisition führt nicht zum Erfolg. Derzeit versuchen viele Firmen wie etwa Drees & Sommer den Einstieg. Nur sehr vereinzelt finden sich Bauingenieure oder Architekten, die bereits im Land tätig sind. Gefragt sind consultants, zum einen für die Qualitätssicherung auf Baustellen, zum anderen für Know-how im Bereich Projektentwicklung. Die Iraner sind in der Regel sehr wissbegierig und hilfsbereit. Partner werden akzeptiert, Verbesserungsvorschläge müssen aber mit langsamer Überzeugungsarbeit eingebracht werden.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit organisierte 2001 mit Verbänden, darunter der Verband Beratender Ingenieure (VBI), im Rahmen der Initiative "Professionals in Dialogue" (ProfinD) eine Reise von Architekten und Ingenieuren in den Iran. In der ProfinD - Datenbank finden sich einige bereits in Iran tätige Firmen. Seit 1954 besteht ein Vertrag über wirtschaftliche und technische Zusammenarbeit, 1968 wurde das Doppelbesteuerungsabkommen unterzeichnet, 2002 dann der neue Investitionsschutz- und Fördervertrag.
Im akademischen Bereich besteht die Möglichkeit, als Assistent zu lehren bzw. zu promovieren, was in Iran sehr prestigeträchtig ist. Insgesamt leben ca. 600 Deutsche in Iran, die Deutsch-Iranische Handelskammer hat 1500 Mitglieder. Am Sprachinstitut der Deutschen Botschaft lernen jährlich bis zu 3500 Iraner Deutsch.
Adressen
sazeman-e nezam mohandessi iran
Organisation der Iranischen Ingenieure
Velenjak Strasse, Ecke 26. und 5. Golestan Strasse, Teheran
Telefon: 0098-21-24062-59 / -60
Ministerium für Wohnen und Stadtentwicklung Iran
http://www.mhud.gov.ir/
anjoman-e senf-e mohandessan-e moshaver-e memar va shahrsazi
(Verband der Architekten und Städtebauer)
Ave. Sohrevardi Shomali
Howeizeh Gharbi St. No. 81, 3rd. floor, Teheran
Tel: 8768848 (Mr. Esfandiari)
Deutsch-Iranische Industrie- und Handelskammer, Teheran
www.dihk-ir.com
Kooperationsbörse "Professionals in Dialogue"
Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit
Bertold Wassong Telefon 01888-6157532,
Juliane Mewes Telefon 01888-6157231
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Verband Beratender Ingenieure VBI
Bundesgeschäftsstelle
Budapester Strasse 31
10787 Berlin
Telefon: 030 - 260620,
Fax 030-26062100,
e-mail Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Deutsche Botschaft in Teheran
Ferdowsi Avenue Nr. 320-324
Teheran/Iran
Tel: +98-21-39991680
Fax: +98-21-39991970
www.deutschebotschaft-teheran.org